
Viele englischsprachige Übersetzer sind eingestellt worden, als Irland und das Vereinigte Königreich der damaligen EWG beitraten. Drei Jahrzehnte später steht der englischsprachigen Übersetzungsabteilung ein bedeutsamer Generationswechsel bevor: Bis 2015 dürfte sie mindestens ein Fünftel ihrer Mitglieder verlieren. Dies mag angesichts der Tatsache, dass mehr und mehr Dokumente in dieser Sprache verfasst werden, gar nicht einmal so alarmierend klingen. Nach den Beitrittsrunden von 2004 und 2007 – mit insgesamt zwölf neuen Amtssprachen – hat jedoch auch die Menge an Schriftstücken, die aus den Mitgliedstaaten in allen Amtssprachen bei der Kommission eintreffen, exponentiell zugenommen.
Warum ist die Nachfrage nach englischen Übersetzungen so groß?
Gemäß der Verordnung Nr. 1 von 1958, in der die Mehrsprachigkeit der EU verankert ist, dürfen sich einzelstaatliche Behörden und EU-Bürger in jeder der 23 Amtssprachen mit Fragen, Beschwerden und anderen Anliegen an die EU-Organe wenden. Um ihre Kernaufgaben zu erfüllen – Vorschläge für neue EU-Rechtsvorschriften unterbreiten, die ordnungsgemäße Anwendung bestehender Rechtsvorschriften überwachen und Kontakte zu allen Beteiligten pflegen –, muss die Kommission große Mengen an Geschriebenem aus den Mitgliedstaaten analysieren und verarbeiten.
Die Kommissionsbediensteten müssen sich deshalb bisweilen einer "Brückensprache" bedienen. Diese Aufgabe hat in den letzten Jahren immer stärker das Englische übernommen, weil es unter den jüngeren Beamten am weitesten verbreitet ist und weil es in den meisten Schulen in der EU als erste Fremdsprache gelehrt wird. So ist die Nachfrage nach Übersetzungen ins Englische in den vergangenen fünf Jahren um 45 % gestiegen.
Die englischsprachige Abteilung muss mit einer begrenzten Zahl älter werdender Mitarbeiter eine stetig wachsende Arbeitsbelastung bewältigen und ein breites Spektrum an Ausgangssprachen bedienen; um ihren aktuellen und ihren künftigen Bedarf zu decken, ist sie somit sehr darauf angewiesen, dass aus den Auswahlverfahren geeignete Kandidaten hervorgehen. Leider waren die Ergebnisse der letzten beiden interinstitutionellen Auswahlverfahren für englischsprachige Übersetzer – 2005 und 2007 vom Europäischen Amt für Personalauswahl (EPSO) organisiert – nicht befriedigend: Die Zielvorgabe von 40 bzw. 70 erfolgreichen Bewerbern für die Reserveliste wurde verfehlt; stattdessen konnten die vier beteiligten EU-Organe bei ihren Einstellungen nur auf eine Liste mit 16 bzw. 24 Namen zugreifen.
Ein weiteres Problem ist die Abdeckung der Sprachen: Die meisten Kandidaten auf der Reserveliste können aus einigen wenigen Sprachen übersetzen (vor allem Französisch, Deutsch, Spanisch und Italienisch); es werden aber auch Kenntnisse in weniger bekannten Sprachen benötigt, etwa dem Lettischen, Litauischen oder Estnischen.Zugleich sinkt die Zahl der externen Übersetzungsdienstleister (Freelancer), die in Auswahlverfahren erfolgreich und daran interessiert sind, Übersetzungen ins Englische für die Generaldirektion Übersetzung zu übernehmen.
Vor diesem Hintergrund hat die Generaldirektion Übersetzung der Europäischen Kommission (DGT) beschlossen, eine Kampagne zur Anwerbung von qualifiziertem Personal zu starten. Hierzu ist die englischsprachige Abteilung bereits mit einigen Ausbildungsstätten, staatlichen Einrichtungen und Sprachorganisationen, etwa dem National Centre for Languages (CILT), in Verbindung getreten. Sie wird sich außerdem bemühen, bei Berufsberatungsterminen und auf Jobbörsen präsent zu sein, und zwar vor allem im Vereinigten Königreich und in Irland.
Die Generaldirektion Übersetzung (DGT) und ihre englischsprachige Abteilung ist die größte Verwaltungseinheit innerhalb der Europäischen Kommission. Mit ihren ca. 2 500 Mitarbeitern, darunter auch Nicht-Übersetzer, deckt sie den Bedarf der Kommission an Übersetzungen und an Beratung in sprachlichen Fragen für alle Arten schriftlicher Kommunikation. Die Übersetzungskosten in der Kommission werden auf rund 300 Millionen EUR jährlich geschätzt, d. h. 60 Cent pro Bürger.
Aus organisatorischen Gründen ist die DGT nach Sprachen gegliedert und fast gleichmäßig auf Brüssel und Luxemburg verteilt. In der englischsprachigen Abteilung sind zurzeit 111 Übersetzerinnen und Übersetzer beschäftigt. Englischsprachige Übersetzer sind außerdem in DGT-Referaten tätig, die Texte redigieren oder für das Internet übersetzen.
Die DGT hat im Jahr 2008 insgesamt 1,8 Millionen Seiten übersetzt, davon 72 % aus dem Englischen, 12 % aus dem Französischen, 3 % aus dem Deutschen und 13 % aus anderen Sprachen. 10,5 % der insgesamt produzierten Seiten entfielen auf die englischsprachige Abteilung. Etwa 26 % der Kommissionsübersetzungen werden an externe Übersetzer vergeben. Der Freelance-Anteil der englischsprachigen Abteilung betrug im vergangenen Jahr 55 %, was 22 % der insgesamt von der DGT extern in Auftrag gegebenen Arbeit entspricht. Bei einigen neu hinzugekommenen Sprachen besteht seit 2004 ein chronischer Übersetzermangel. Als besonders schwierig erweist sich die Einstellung slowenisch- und maltesischsprachiger Übersetzer.
Da die ersten Auswahlverfahren im Jahr 2004 nicht genügend erfolgreiche Bewerber erbrachten, musste die Kommission Personal mit befristeten Verträgen einstellen, um den Übersetzungsbedarf zu decken. Beide Abteilungen haben auch heute noch einen hohen Anteil an Zeitkräften: In der slowenischsprachigen Abteilung sind es zwei Drittel, in der maltesischsprachigen 58 %; letztere ist statt mit planmäßig 57 Übersetzern ohnehin nur mit 48 besetzt.
Grund zur Sorge bietet in einigen Sprachabteilungen auch die hohe Zahl der Mitarbeiter, die in nächster Zeit in Ruhestand gehen werden; dies gilt zum Beispiel für die dänisch- und die italienischsprachige Abteilung. Während die Nachwuchsplanung im Fall der italienischsprachigen Abteilung problemlos sein dürfte, weil genügend junge Übersetzer bereitstehen, befinden sich auf den dänischen Reservelisten nur noch sehr wenige verfügbare Kandidaten. Ein Auswahlverfahren noch vor Ende dieses Jahres soll für frisches Blut sorgen.
Mehr:
Weitere Informationen über die Generaldirektion Übersetzung (DGT)
Sprachenportal
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