EU-Wahl: Partei-Prätorianer und die Direkte Demokratie


Die Wähler bleiben zuhause. Die Parteien bringen bestenfalls noch ihre wenigen Mitgliederfamilien zur Wahl, wobei Mitgliederparteien dank Staatsfinanzierung ohnedies abgeschafft sind. Mitglieder machen einer Partei nur Arbeit und Kosten, die Staatsfinanzierung der Parteien über die Wählerstimmen gibt diesen auch das Geld für die Nichtwähler anteilsmäßig. Wozu also Mitglieder werben, sich um sie kümmern, sie mitgestalten und mitverwalten lassen müssen?

Nun haben die Parteisekretariate und die Prätorianer die direkte Demokratie entdeckt und bemühen sich um "Vorzugsstimmen". Am schnellsten durchschaut hatte diese Putsch-Möglichkeit durch den gezielten Einsatz der Prätorianer die aucht thematisch dieser Technik nahe FPÖ. Schon bei der letzten EU-Wahl rechnete man sich dort die Möglichkeit aus, die von den Gremien immerhin restdemokratisch erstellten Listen auszuhebeln. Mölzer - der sich selber dabei noch spaßig dünkend den "faulsten Faschisten" nennt - konnte mit seiner "Vorzugsstimmenkampagne" gegen einen zumindest unbescholtenen FPÖ-Spitzenkandidaten (unbescholten ist in der FPÖ eben kein Vorzug) die rechten Prätorianer auf sich vereinen. Bei niedriger Wahlbeteiligung und Verzicht auf Neuwähler - reichte das für den Prätorinaerputsch aus.

Nun haben sich auch in den anderen Parteien sich die Prätorianer hinter die Rechenmaschine gesetzt. Bei der ÖVP wurde der langjährige ÖVP-Europaabgeordnete Karas von Strasser verdrängt und er will den gutbezahlten Vorsitz der ÖVP-Fraktion über die Vorzugsstimmen holen, so dass auch Strasser - obwohl an der Spitze - plötzlich ebenfalls Vorzugsstimmen lukrieren muss.

Auch bei den Grünen happerts mit der Liste. Nachdem man einer Vorzugsstimmenkampagne von Voggenhuber durch dessen Deplazierung von der Liste den Hahn abgedreht hatte, schien die Welt in Ordnung. Doch nun sagen die Wahlumfragen voraus, dass man bestenfalls ein Mandat ins EU-Parlament entsenden kann. Da hat die zweitgereihte Eva Lichtenegger nun urplötzlich Angst um den gut bezahlten EU-Sitz bekommen und twittert um Vorzugsstimmen. Plötzlich ist die so "demokratisch" erstellte Liste doch nicht mehr die demokratischste. Die Chance der Vorzugsstimmenwerber ist umso größer, je weniger Stimmen eine Partei bekommt. Das weiß wohl auch sie.

Bei der SPÖ hat man den langjährigen Vorarlberger EU-Abgeordneten Bösch gnadenhalber noch an die siebte Stelle gereiht. Bösch konnte noch hoffen, dass er - bei gleichbleibendem Wahlergebnis - wieder dank Lissabon-Vertrag - hineinrutschen könnte. Er ist - ebenso wie Mölzer - Nutznießer der EU-Pensionsprivilegien - wie wir dank eines anderen Vorarlberger Kandidaten (Hans-Peter Martin) wissen. Nun schwinden aber selbst diese Chancen, weil das Wahlergebnis für die SPÖ magerer und immer magerer zu werden scheint. Statt aber sich anzustrengen, die Wähler mit vereinten Kräften zu den Urnen und für die Sozialdemokraten zu gewinnen geht man den umgekehrten Weg: Man hofft auf wenige Wähler, verärgert sie gar und setzt stattdessen auf die Vorzugsstimmen der verbliebenen SPÖ-Prätorianergarde. Dabei wird gar so getan als ob man sich im Gegensatz zu Faymann und der Bundes-SPÖ befinde, wiewohl man in all den Jahren kein einziges kritisches Wort hervorgebracht hatte. Nun wird der Bundes-SPÖ Fremdenfeindlichkeit gar auch noch unterstellt um die direktdemokratisch vertrauteren Linken für die Vorzugsstimmenkampagne zu gewinnen und unterschlägt die jahrelange Unterstützung Herbert Böschs für das FPÖ-Kleine-Blatt. Detto den Umstand, dass Bösch einer der ersten war, der gegen einen Türkeibeitritt mobil machte, die demagogische Frage stellte, ob Europa an den Irak grenzen muss.

Nun für Herbert Bösch wird sich diese Rechnung nicht ausgehen, wenn auch nur sieben Prozent der Stimmen notwendig wären. Vorarlberg hat gerademal etwas über vier Prozent Bevölkerungsanteil und die SPÖ dürfte hier nicht einmal über zehn Prozent kommen. Das gibt nichts her. Dies umso mehr als Herbert Bösch nur in den Partei- und Bregenzer Bezirksgremien irgendwie bekannt ist. Sonst kennt ihn so gut wie niemand. Wer sollte ihm da eine Vorzugsstimme geben wollen, gar eine verlorene!

Alles in Allem. Es ist kein Sieg direktdemokratischer Möglichkeiten. Es ist die Instrumentalisierung der ohnedies mikrigen direktdemokratischen Einichtungen durch Apparate und Sitzfleisch und das Hoffen und Hinwirken auf eine niedrige Wahlbeteiligung, die Auflösung demokratisch und damit mitgliederorientierter Parteien: Denn jede Stimme für ihre eigene Partei mehr reduziert ihre höchstpersönlichenVorzugswahlchancen. Alle setzten auf eine niedrige Wahlbeteiligung als Rüstung ihrer Prätorianer.

Dagegen gibt es bei den EU-Wahlen für die Bürger jedoch ein probates Mittel: Die Stimme für Hans-Peter Martin. Jede Stimme mehr erhöht nicht nur die Wahlbeteiligung, sie watscht auch diese Sitzfleischstrategen, die bei den EU-Wahlen nicht auf Wähler zählen wollen sondern auf ihre Netzwerke in ihrer Pratorianergarde setzen.

Mehr:
Hans-Peter Martin: Positiv lästig
EU-Wahl: Rübig ohne Vorzugsstimmen-Netz
Karas bei genug Vorzugsstimmen Nr. 1
Lichti will die Liste umdrehen
EU-Wahlkampf der SPÖ Vorarlberg

Tidak ada komentar:

Posting Komentar