Alberne Rechtschreibung


Vordergründig deuten Rechtschreibfehler auf einen nachlässigen Umgang mit Sprache und fehlende Rechtschreibkenntnisse hin, unbewusst zieht der Leser aber noch weitere Rückschlüsse. Ein niedriges Bildungsniveau, unsaubere Arbeitsweise, Unproffessionalität und Unzuverlässigkeit des Verfassers sind nur einige Assoziationen, die durch falsche Rechtschreibung hervorgerufen werden. Rückschlüsse von der Korrektheit der Schreibweise auf die Richtigkeit des Inhalts sind schnell gezogen. Texte, die frei von Fehlern sind, zeigen dagegen, dass die Sprache bewusst und sorgfältig eingesetzt wurde. Der Leser schließt daraus, dass der Verfasser ein hohes Bildungsniveau hat, in seinen Aussagen zuverlässig und professionell arbeitet. So wirbt der Duden-Verlag nicht gänzlich fern von der Schullehre für seine Produkte.

Doch die Empirie ist eine andere: Die Ergebnisse der Dudenumfrage: "Wie wichtig ist eine korrekte Rechtschreibung in Behörden und öffentlichen Einrichtungen?" zeigt, dass jeder vierte deutsche Beamte die Rechtschreibung als "unwichtig" bezeichnet. Mehr noch: Nur rund zwei Drittel der insgesamt 581 Teilnehmer waren der Ansicht, dass eine fehlerfreie Orthografie in Gesetzestexten "wichtig" oder "sehr wichtig" sei (71,9 %). Ähnlich bewertet wurde die Frage nach einer einwandfreien Rechtschreibung in selbst verfassten Texten (64,5 %), in Dokumenten, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden (66,4 %) und in Texten, in denen öffentliche Stellen mit Bürgern kommunizieren (63,9 %). Nur 31,9 % bezeichnen eine durchweg richtige Schreibweise als "sehr wichtig", weitere 27,8 % als "wichtig".

Bemerkenswert aber zu dieser liberalen Haltung die konträr elitäre Selbsteinschätzungdes deutschen Beamten: 96,7 % gaben nämlich an, dass sie selbst sehr wohl eine korrekte Rechtschreibung in der täglichen Arbeit sicherstellen (Abb. 2). 79,5 % der Befragten schlagen dafür in herkömmlichen Wörterbüchern nach, einem knappen Viertel (22,7 %) steht dafür sogar ein eigenes Lektorat zur Verfügung. 63,2 % nutzen zur Sicherstellung der richtigen Schreibung Online-Wörterbücher.

Alberne Großschreibung. Da frägt sich wohl, warum dann keine bessere Rechtschreibreform durchsetzbar ist, etwa die Abschaffung der Großschreibung. Die Frage, wie man was schreibt und wie man schreiben soll, erregt die Gemüter gewaltig. Die Brüder Grimm hatten damit kein Problem, sie schrieben klein, wie alles außer Eigennamen. Die Brüder hatten einen hohen Anspruch: Sie wollten eine Hauspostille schaffen, ein Nachschlagewerk für die ganze Familie, in dem die gebräuchlichen Wörter in ihrer Entwicklung seit dem 15. Jahrhundert verzeichnet wären, samt Belegstellen aus der Literatur. Das, so meinten sie, könne der "sprachgabe" dienen und das Geschichtsbewusstsein fördern. Ihren Beitrag zur Rechtschreibung lieferten sie mit der Einschätzung, dass "der alberne gebrauch groszer buchstaben für alle substantiva" nicht einleuchte. Dem wäre wohl auch heute nichts hinzuzufügen als die Wiederholung: "albern".

Mehr:
Grimm: 125 Jahre akribische Wortsammlung
Duden - Presse

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